Nachgefragt bei Stephan Sedlmayer, Präsident der LfL zu Nachhaltigkeit, Düngeverordnung und Brot im Jahr 2050 – Einladung zur Getreidetagung am 8. Juli 2021
Herr Sedlmayer, wie nachhaltig ist die Getreideerzeugung Ihrer Ansicht nach schon heute und wo gibt es Luft nach oben – etwa mit Blick auf die verschiedenen Anbauverfahren?
Nachhaltigkeit ist ein sehr umfassender Begriff. In vielen Bereichen ist die Getreideerzeugung in Bayern schon recht nachhaltig: Ob integrierter Pflanzenschutz, ob Anbau von Zwischenfrüchten, ob Fruchtfolgen, vieles wird schon gemacht.
Wie in anderen Bereichen der Landwirtschaft und der gesamten Wirtschaft, gibt es allerdings auch noch Ansatzpunkte, um die Nachhaltigkeit zu verbessern: So birgt die Spätdüngung von Brotgetreide hohe Risiken für Nitratausträge ins Grundwasser. Hier bringen Getreidesorten, die keine oder nur eine geringe Spätdüngung benötigen, um gute Backeigenschaften hervorzubringen, Verbesserungen.
Thema Artenvielfalt: In den vergangenen Jahren beziehungsweise Jahrzehnten verringerte sich die Kulturartenvielfalt, es gingen Randstrukturen verloren und Acker-Wildkräuter verschwanden zunehmend.
Thema ökonomische Nachhaltigkeit: Insbesondere für kleine und mittlere Betriebe liegen Chancen der Wertschöpfung im regionalen Anbau, in Vermarktungsprogrammen mit Extra-Erlösen für gezielten Umweltschutz und dem Vertragsanbau. Positive Maßnahmen für mehr Artenvielfalt, Hecken und Feldgehölze, eine vielfältige Fruchtfolge, das Schaffen gezielter Lebensräume für Flora und Fauna müssen auch Zusatzerlöse erzielen.
Am Markt wird aktuell der „Ecoscore“ heiß diskutiert, mit dem nachhaltige und klimafreundliche Produkte ausgelobt werden. Sehen Sie einen neuen Markt für klimafreundliche Produkte oder sogar eine Chance für die Getreide-Wertschöpfungskette? Und wie kompliziert wird es für die Unternehmen werden, nachgewiesene Nachhaltigkeit auf ihren Produkten sichtbar zu machen?
Die Nachhaltigkeit von Produkten gewinnt als Verkaufsargument zunehmend an Bedeutung, wird gleichzeitig zur Selbstverständlichkeit. Grundsätzlich bietet das Thema Chancen für die Getreide-Wertschöpfungskette. Die Nachhaltigkeitseigenschaften auf den Produkten deutlich sichtbar zu machen ist die große Herausforderung, da für eine faire Vergleichbarkeit eine transparente Darstellung aller Erzeugungsschritte erfolgen muss.
Die Auswirkungen der Düngeverordnung auf den Ackerbau werden deutlicher, auch wenn die Effekte auf den Proteingehalt des Weizens aufgrund der letzten trockenen Sommer bisher nicht so stark wie befürchtet waren. Wie schätzen Sie die Auswirkungen der Düngeverordnung auf den Ackerbau in Bayern ein?
Betriebe ohne den Einsatz von organischem Dünger, ohne rote und gelbe Flächen haben kaum zusätzliche Einschränkungen. Betriebe mit gelben Flächen, müssen zusätzliche Auflagen einhalten, welche einen höheren Aufwand bedeuten. Dies führt nur zu geringfügigen Änderungen im Ackerbau, zum Beispiel beim Anbau von Sonderkulturen. Betriebe mit roten Flächen haben durch die Kürzung der Düngung um 20 Prozent des Düngebedarfs gravierende Einschränkungen in der Düngung, dadurch wird sich der Ackerbau verändern, so ist der Anbau von Qualitätsweizen kaum mehr möglich.
Betriebe mit einem Einsatz von organischem Dünger haben durch die höhere Anrechnung der organischen Düngung große Schwierigkeiten, eine optimale Pflanzenernährung mit hohen Erträgen und Qualitäten zu gewährleisten. Eine Veränderung des Ackerbaus ist sehr wahrscheinlich, unter anderem werden der Einsatz und die Aufnahme von organischem Dünger aus tierhaltenden Betrieben unattraktiver.
Es wird in Zukunft wichtig, Weizen nicht allein nach Proteingehalt zu bewerten, sondern nach der tatsächlichen Backqualität. Langfristig müssen geschmackliche Besonderheiten und Eigenschaften, wie bei alten Landsorten, in ein partnerschaftliches Preisgefüge einfließen. Dann sollte es in Zukunft möglich sein, Backweizen in Bayern und aus Bayern zu erhalten.
Und wohin glauben Sie, geht die Reise bei den Brotgetreidesorten? Wie wird Brot im Jahr 2050 hergestellt, aussehen und schmecken?
Weizen und Roggen werden vermutlich noch stärker als bisher mit anderen Getreidearten und Samen sowie Körnern ergänzt werden. Stellvertretend stehen Namen wie Hirse, Dinkel oder auch Binkel, einem Zwergweizen aus frühestem Ackerbau der Menschen, der bis auf 1.600 Meter angebaut werden konnte. Sie werden unsere Getreidepalette erweitern. Brot und Backwaren mit einem hohen Gesundheitswert, als Life-Style-Produkt und einer guten Nachhaltigkeitsbilanz gewinnen an Bedeutung.
Anmeldung zur Veranstaltung:
Katja Mieles, T 030 2123369 35, E
Zum Download:
VGMS-Pressemitteilung zur Getreidetagung